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- Meine Reise in die Erotik

BDSM in klassischer Literatur

BDSM in klassischer Literatur

Es ist kein Geheimnis, dass das Prinzip des BDSM kein rein modernes Phänomen ist. Lange bevor „Fifty Shades of Grey“ der sexuellen Spielrichtung zu einem neuen Hype verhalf, sorgte schon „Die Geschichte der O“ für große Skandale, und der Namensgeber des Sadismus‘ selbst, Marquis de Sade, verfasste bereits im 18. Jahrhundert seine Werke, die quasi jede mögliche Spielrichtung von Sadismus und Lustschmerz offen darlegten.

 

Ein weiterer Verfechter dieser Spielarten um Lustschmerz scheint mir auch ein Friedrich Nitschke mit seinem Buch „Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen.“, in dem es Hauptsächlich um die männliche Dominanz dem weiblichen Geschlecht Gegenüber geht und indem sein Protagonist aufgefordert wird, die Peitsche nicht zu vergessen, wenn er zum Weibe geht.

 

Doch es gibt auch einen ganz anderen Typus von klassischen Geschichten, die sich mit dem Thema beschäftigen. Es ist schließlich gar nicht nötig, den Begriff BDSM offen zu propagieren, um ein entsprechendes Beziehungsgerüst zu beschreiben, und so gibt es über die Jahrhunderte hinweg genügend großartige Liebesgeschichten, die eine zumindest BDSM-inspirierte Beziehung darstellen, ohne offen darüber reden zu müssen.

 

Eines der bekanntesten und wie ich finde eindeutigsten Beispiele dafür ist sicherlich Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“.

 

Es ist eine klare Interpretationsfrage, wie die Beziehung zwischen Katharina und Petruchio gewertet werden sollte, aber … wenn man sich das gesamte Stück ansieht, so gibt es eigentlich nur zwei stringente Interpretationsansätze. Entweder handelt es sich bei der so kraftaufreibenden Werbung um eine leichte, romantische Liebeskomödie – oder aber um ein hartes Missbrauchsdrama, in dem die weibliche Hauptfigur langsam gebrochen und Stück für Stück ihrer Persönlichkeit beraubt wird. Doch stimmt das so auch?

 

Alle modernen Neuinterpretationen des Stückes gehen ganz selbstverständlich den ersten Weg, auch wenn Petruchios „erzieherische“ Wirkung in modernen Adaptionen wie 10 Dinge, die ich an dir hasse und Kiss me, Kate! bewusst heruntergespielt wird. Aber die Aussage des Originals bleibt dennoch vorhanden, und trotz aller Fragwürdigkeit erfreut sich Shakespeares Stück bis heute größter andauernder Beliebtheit. Aber wenn man diese Lesart annehmen will, wenn man meint, dass die in dem Stück gezeichnete Beziehung eine am Ende glückliche und tendenziell positiv dargestellte ist, so lässt das nur einen Schluss zu: Bei der Beziehung zwischen Petruchio und Katharina handelt es sich um eine klassische BDSM-, genauer, eine DS-Beziehung.

 

Im Umgang der beiden Protagonisten geht es die gesamte Zeit um nichts anderes, als Dominanz und Unterwerfung (Dominance & Submission), um die Frage, wer von den beiden sprichwörtlich die Hosen anhat, und darum, wie weit Petruchio jeden Tag erneut gehen muss, um die ungezähmte Katharina zur Kapitulation zu bewegen. Dieses Thema, das vom Titel an das gesamte Stück überspannt, ist überhaupt nicht zu ignorieren – die einzige Frage, die sich bezüglich der Interpretation noch stellt, ist die Frage, ob Petruchios Dominanz nun reiner männlicher Missbrauch ist, oder eine von Katharina selbst zutiefst gewünschte Verhaltensform.

 

Durch das Werbegespräch zwischen Petruchio und Signor Baptista war von Anfang an klar, dass der Bräutigam erst Katharinas Zustimmung erlangen muss, ehe er eine Chance auf ihre Hand erhält: „Doch was genau zuerst sich muss ergeben, Das ist ihr Ja; denn das ist eins und alles.“ Katharina hat also zu jeder Zeit die Gelegenheit, sich durch eine offene Weigerung von dem lästigen Freier zu befreien. Auf der anderen Seite ist es nicht so, als wäre sie der Idee des Heiratens an sich abgeneigt, sie macht ihrem Vater offene Vorwürfe, er würde sich nur bemühen, Bianca zu vermählen und nicht sie. Natürlich steht dem entgegen, dass Katharina für jeden potenziellen Freier nur Verachtung übrig hat, und so besteht auch ihre erste Reaktion auf Petruchio nur aus offener Ablehnung.

 

Doch in dieser Szene der ersten Begegnung hat sie nun Gelegenheit, ihn kennenzulernen; den vielleicht ersten Mann überhaupt, der ihr Paroli bieten kann und der nicht vor ihren Drohungen zurückschreckt.

 

Für Petruchio dagegen ging es von Anfang an eigentlich nur um die Frage der Mitgift, für genügend Geld ist er bereit, buchstäblich jede Frau zum Altar zu führen. Doch auch er lernt Katharina in dieser Szene kennen, und bald schon kündet jede seiner unverschämten Herausforderungen von unterschwelligem Respekt – auch er trifft zum ersten Mal eine Frau, die nicht vor seinem auffahrenden Gebaren zurückkuscht. Und als es schließlich darum geht, dem Vater gegenüberzutreten, scheinen Petruchios Worte an Katharina ebenso sehr Befehl wie Bitte zu sein: „Dein Vater kommt zurück, nun sprich nicht nein, Ich will und muss zur Frau Kathrinen haben.“

 

Es ist beinahe etwas Flehendes in dem Ausdruck enthalten – und Petruchio hat allen Grund, sich in diesem Moment zu sorgen. Es wäre nun Katharinas Moment, sich zu weigern und ohne Getue alle weiteren Hochzeitspläne abzublasen. Doch das tut sie nicht. Sie weigert sich mit keinem Wort, ihn zu heiraten, und auch wenn sie Petruchio zuvor kaum einen Satz am Stück hat aussprechen lassen, so wendet sie nichts ein, als er erklärt, dass sie ihn nun zärtlich liebe.

 

All diese verdeckten Hinweise ihrer Übereinkunft bleiben unausgesprochen, genauso wie Katharinas Ja-Wort bei der Trauung nicht erwähnt wird – theoretisch gerade die Gelegenheit für sie, sich eines ungeliebten Mannes zu entledigen. Die Vermutung, dass es wirklich ein stummes Abkommen der beiden Hauptfiguren gibt, das Katharina dazu bringt, dem vielverheißenden Freier eine Chance zu geben, scheint mir unter allen Anzeichen um ein Vielfaches sinnvoller zu sein als von Missbrauch auch nur ansatzweise zu denken. Natürlich, es gibt keinerlei „Beweise“ für einen solchen Konsens zwischen den beiden, aber dafür finden sich definitiv genug Indizien, die ausreichend unterstreichen, was gefühlsmäßig sowieso schon angelegt ist. Die erste Begegnung der beiden ist der vielversprechende Beginn einer funkensprühenden Beziehung.

 

Vorausgesetzt, bei der Ehe zwischen Petruchio und Katharina handelt es sich um eine einvernehmliche DS-Beziehung, so bedeutet das sicher nicht, dass ihr langanhaltender Kampf reines „Spiel“ ist, im Gegenteil. Schon bei einer „normalen“, heutigen Standards entsprechenden BDSM-Beziehung kann der Begriff Spiel ja absolut nicht beschreiben, was wirklich zwischen den Beziehungspartnern vorgeht – all die wilden Gefühle, alle Leidenschaft und aller Kampf sind am Ende ja „echt“, sie werden durch die Art der freiwilligen Beziehung nur in einen anderen Kontext gerückt.  Die Beziehung von Petruchio und Katharina stellt, wenn sie als unausgesprochene Übereinkunft gesehen wird, in gewisser Weise die reinste Form einer möglichen DS-Beziehung dar. Es ist ein andauernder Kampf, von beiden Seiten bis aufs äußerste geführt, wobei der Sieger von Anfang an feststehen muss.

 

 Und als Katharina sich endlich geschlagen gibt, als sie sich entscheidet, nun die unterwürfige Ehefrau abzugeben, ist das Spiel der beiden ja lange nicht beendet; es verlagert sich vielmehr nur auf eine andere Ebene. Zumindest nach außen hin unterwirft sich Katharina nun ihrem Herrn und Gatten, sie folgt all seinen Weisungen, ganz gleich wie absurd, und hält gerade dadurch den zündenden Charakter ihres Kräftemessens aufrecht. Während sie nach außen hin geradezu absurd gehorsam erscheint, scheint in ihren diensteifrigen Worten doch immer wieder ein zarter Spott für ihren Gatten auf – „Der Mond auch wechselt, wie es dir gelüstet“ – und das Spiel um Gehorsam und Unterwerfung wandelt sich bald zu einem reinen Insider-Gag, mit dem die beiden Eingeweihten ihre Umwelt gemeinsam verspotten.

Das Ende des Stückes schließlich scheint Katharina als rein gehorsame, unterwürfige Ehefrau zu zeichnen, die als ein Vorbild für alle Frauen dargestellt wird. Es ist gerade dieses etwas überzogen scheinende Ende, die erfolgreiche Zähmung, das dem Stück die meisten Vorwürfe eingebracht hat. Man könnte meinen, Katharina sei gebrochen und ihr freidenkender Charakter zerstört, eine Entwicklung, die in der Tat die gesamte Geschichte in ein äußerst düsteres Licht schieben würde.

 

Aber schon bei einer grundlegenden Betrachtung wird klar, dass Katharina ihr Feuer absolut nicht verloren hat. Der gesamten Hochzeitsgesellschaft gegenüber verhält sie sich so brüsk wie eh, sie verspottet Bianca und fängt mit der Witwe beinahe eine Prügelei an. Der Einzige, dem gegenüber Katharina nicht aufbraust, ist Petruchio – sie hat ihr Feuer nicht verloren, sie hat es ihm gegenüber nur aufgegeben, als ein freiwilliges Geschenk an ihren Ehemann.

 

Und was nun folgt, ist wohl die problematischste Stelle des gesamten Stücks: Hier wird die Beziehung von Katharina und Petruchio als die einzig wirklich gesunde, frohe Beziehung von den dreien dargestellt. Sowohl die Witwe als auch selbst Bianca erscheinen zänkisch und widerborstig, ihren Ehemännern nicht so zugetan, wie es Katharina offenbar dem ihren ist. Es ist ein Problem, das sich nicht wegdiskutieren, sondern nur mit einem über die Jahrhunderte gereiften Beziehungsbild erklären lässt. Hier wird eine Beziehung, in der die Frau dem Manne untergeben ist, als die beste, wenn nicht die einzig wahre Form einer glücklichen Partnerschaft dargestellt. Eine gleichwertige Beziehung ist fraglich, eine von der Frau dominierte per Definition unglücklich und ungesund. Es ist ein puritanisches Frauenbild, das seiner Zeit verschuldet ist und selbst in diesem Rahmen alles andere als fortschrittlich klang. Das Problem mit dem berüchtigten Epilog von Katharina ist also nicht, dass sie ihre eigene unterwürfige Haltung als positiv darstellt, sondern dass die Beziehungen der anderen Paare als minderwertiger und unglücklicher angeprangert werden.

 

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass das Ende des Stücks zumindest für Petruchio und Katharina ein absolut positives ist. Sie haben ihre eigene Art der Beziehung gefunden, und sie beide sind in dieser Partnerschaft absolut glücklich und erfüllt. Liest man Katharinas Rede nun nicht als Aufforderung an alle anderen Frauen, sondern als reine Selbsterklärung, so stellt sie ein wunderbares Geschenk dar, das Katharina ihrem Ehemann hier übergibt. Es ist vielleicht noch wert, zu erwähnen, dass Petruchio nicht selbst gegangen ist, um Katharina in die Halle zu holen. Während alle bisherige Unterwerfung ihrerseits auf seinen direkten Druck hin erfolgte, so ist es hier eine reine Botschaft, die sie dazu bringt, den Wünschen ihres Gatten zu gehorchen – und gerade darauf hat Petruchio vertraut. Er hat es nicht nötig sie zu zwingen. Er wusste, sie würde sich ihm schenken, sich ihm darbieten, um ihn vor allen anderen zu ehren.

 

Und ja, gerade diese Finale Darstellung stellt natürlich eine große männliche Fantasie dar – aber das alleine heißt noch nicht, dass diese Fantasie nicht erfüllt werden könnte. Eine Beziehung wie die zwischen Katharina und Petruchio ist sicher kein Zielbild, auf das Frauen hinarbeiten sollten, doch das heißt nicht, dass eine derartige BDSM-Beziehung nicht ein perfektes Beispiel sein kann für eine Partnerschaft, die, wenn auch nicht gleichgestellt, doch wunderbar gesund und glücklich ist.

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